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“So wurde ich süchtig”

    “Die Abende sahen immer gleich aus:

    Abendessen mit Kunden und Kollegen, fachlicher Austausch. Viel Alkohol. Meist dann noch ein Absacker in der Bar. Es wurde häufig erwartet, dass man sich hier blicken lies und Wasser trinkt da niemand.”

    Mein Klient ist ein typischer Macher. Leistungsträger. Führungspersönlichkeit.

    Neben der Isolation, die eine höhere Position oft mit sich bringt, ist die Gefahr einer schleichenden Abhängigkeitserkrankung die zweitgrößte Hürde, derer sich viele Führungspersönlichkeiten bewusst werden müssen.

    Der Druck, immer präsent zu sein, der gesellschaftliche Druck “mitzumachen” und die fehlende Anbindung an ein sicheres und behütetes Zuhause, lässt immer mehr erfolgreiche Menschen zu (Sucht-)Mitteln greifen.

    “Wenn ich abends in mein Hotelzimmer kam, dann war mir oft zum Heulen zumute. Ich wollte nur noch nach Hause. Ich hatte Heimweh.”

    Gerade von Leistungsträgern wird eine gleichbleibende Präsenz und Leistungsfähigkeit erwartet. Gefühle und Bedürfnisse werden als Schwäche wahrgenommen. Was zählt ist das Auftreten und die Bereitschaft zu leisten.

    Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sehen sich viele Erfolgspersönlichkeiten gezwungen, schnelle Weg zu finden, um gegen Übermüdung, Erschöpfung und Gefühle der Einsamkeit, Leere und Trauer zu finden.

    “Um einschlafen zu können, nahm ich Tabletten. Wenn man das nötige Geld hat, ist das kein Problem.”

    Ein aktives Auseinandersetzen mit der eigenen Unruhe und Bedürftigkeit macht angst und dauert. Dazu fehlt meist die Zeit, sie wird sich nicht genommen, hat keinen Raum im Arbeitsmarkt. Zudem fehlt es an positiven Vorbildern und Möglichkeiten des Innehaltens.

    “Pornos waren ebenso eine Möglichkeit, mich von meiner Einsamkeit abzulenken. Doch häufig griff ich eher zu einer Mischung aus Tabletten und Alkohol.”

    Es fehlt, in unserer Gesellschaft nicht nur an vorgelebten Alternativen. Die Verfügbarkeit, um sich zu betäuben, ist das eigentliche Kernproblem. Wenn von dir erwartet wird, dass du täglich das gleiche Level an Leistung zeigst, dann stellst du das eben sicher. Und zwar auf dem schnellstverfügbarsten Wege, der dir bekannt ist.

    “Morgens brauchte ich etwas, um wach zu werden. Meine Nächte waren häufig unruhig, trotz Tabletten. Da reichte der Kaffee irgendwann nicht mehr.”

    Der Weg in die Abhängigkeit ist schleichend.

    Nicht nur, weil der Körper eine Toleranz entwickelt und somit immer schneller und immer höhere Dosen benötigt, um die gleiche Wirkweise zu entfalten.

    Die Hemmschwelle zu Suchtmitteln zu greifen wird immer niedriger. Gleichzeitig nimmt das Vermögen, sich aus eigener Kraft mit den Themen auf andere Art und Weise auseinander zu setzen, ab.

    “Kokain ist ein weit verbreitetes Mittel. Es putscht dich durch den Tag. Wenn du das einmal erlebt hast, wie wach und konzentriert du arbeiten kannst, willst du nicht mehr ohne.”

    Drogen sämtlicher Art sind einfach genial.

    Sie vermitteln dir, je nach Art, ein Gefühl der Sicherheit, der Entspannung, der absoluten Klarheit. Du kannst Dinge, die du sonst nicht kannst.

    Sie sind genial. Sonst würde sie keiner nehmen. Das macht sie so gefährlich.

    Ähnlich, wie ein Filter für Instagram entfernst du dich immer weiter von der Realität. Meist geht dies mit einer akuten Selbstverleumdung einher. Das Problem wird nicht erkannt, sondern verdrängt. Wenn dein Umfeld reagiert, dann ist das noch lange kein Garant dafür, dass der Konsument den Ernst der Lage erkennt.

    Dieses Phänomen erklärt auch, warum Menschen Haus und Hof verspielen, um weiterhin ihrer Sucht zu frönen.

    “Ich spürte schon, dass ich Angst hatte oder Einsamkeit verspürte. Doch dann nahm ich was oder trank und schon war da dieses andere, wesentlich angenehmere Gefühl da. Ich war entspannt und fröhlich.”

    Aus dem Kreislauf herauszukommen ist nur dann möglich und von Erfolg gekrönt, wenn der Betroffene Leidensdruck verspürt und tiefgreifende Prozessarbeit mit sich eingeht.

    Gefühle dürfen nicht mehr verdrängt werden, sondern müssen gefühlt werden.

    Die eigenen Bedürfnisse und Emotionen müssen (wieder) erlernt werden.

    Die damit verbundenen Ängste und Hemmungen sollten gut begleitet werden. Ebenso ist ein Einbeziehen des Umfeldes absolut notwendig.

    “Heute arbeite ich nicht mehr im Management. Ich habe erkannt, dass dies Teil meines Problems war. Es war ein harter Weg. Doch heute lebe ich ein zufriedenes, ruhiges Leben.”