Große, grüne Augen schauen mich fragend an. “Ich habe WAS?” Bei unserem zweiten Treffen äußerte ich diese Verdachtsdiagnose: Depressive Episode. Leicht bis mittelgradig und immer wiederkehrend (rezidivierend). Für meinen Klienten waren die Anzeichen nicht klar erkennbar. Ihn erwischte es aus heiterem Himmel.
Vor allem bei Männern wird eine Depression leicht übersehen.
Oft werden Männer “geschickt”. Von ihren Frauen, ihren Töchtern, Schwestern, Müttern. Die Frauen in ihrem Leben bekommen meist die Veränderung als erstes mit und fangen an zu recherchieren. Sie merken schnell: Hier braucht es professionelle Hilfe. Das ist nichts, was wir (als Familie) allein schaffen sollten. Wenn ein Mann dieses Umfeld nicht hat, wenn er allein mit sich und seinen Symptomen ist, wird eine Depression leicht übersehen.
Oder, wie im Falle meines Kunden: Ein Arzt wird aufgesucht, es folgt die Überweisung zum Psychologen. Dort wird eine Erfahrung gemacht, die keine (sofortige) Hilfe bietet und der “Fall wird ad acta” gelegt.
Menschen gehen unterschiedlich mit dieser Diagnose um
Anders ist es bei Frauen. In der Regel. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Frauen sind feinsinniger mit sich. Sie verdrängen nicht, sondern sind eher bereit sich mit ihren Themen auseinander zu setzen. Außerdem tauschen sich Frauen aus. Sie reden mit ihrem Umfeld über ihre Gefühle, Probleme, Sorgen. So kann es durchaus geschehen, dass eine Frau sich ihrer Freundin anvertraut und diese aus eigenen Erfahrungen einen guten Tipp geben kann. “Ich habe eine Depression. Und du?” Diese Art des Austausches zwischen Frauen ist keine Ausnahme.
Ein wichtiger Punkt zur Selbsthilfe: Wissen und Austausch.
Wenn Frauen sich also eher mit ihren emotionalen Themen beschäftigen und Männer eher von Außen beeinflusst werden, was ist also das Learning daraus?
Müssen wir jetzt alle Männer “zwingen”, sich mit ihren Gefühlen auseinander zu setzen?
Müssen wir Frauen dazu bringen, sich noch aktiver mit Männern auszutauschen?
Wohl eher nicht.
Das Geheimnis liegt in der Öffentlichkeit.
Sobald es normal wird, dass wir uns über Psychische Beschwerden genauso austauschen, wie über das Wetter, sind wir dem Ziel sehr nahe: emotionale Stabilität als anzustrebendes Ziel.
Ist das ein nice to have?
Nein. Einfach Nein.
- Immer mehr Tage, immer längere Zeiträume fallen Menschen wegen Psychischer Probleme aus. Der wirtschaftliche Schaden für Klein- und Mittelständler ist immens.
- Erfolgreiche Menschen vermasseln nicht ihren Job. Sie arbeiten meist bis zum Ende unverändert, sind sehr leistungsorientiert. Bis es eines Tages PENG macht.
- Erfolgreiche Menschen vermasseln ihre Beziehungen. Stell dir vor, der Mensch, den du bisher gekannt hast, wird plötzlich 10 cm kleiner. Er schrumpft, ist verunsichert, zieht sich zurück. Das macht was mit deiner Beziehung. Schlimmstenfalls zerstörst du sie.
- Weitere Probleme gehen mitunter Hand in Hand: Sucht, Ängste, Panik, sowie körperliche Beschwerden. Es ist eben nicht damit getan, ein wenig mehr Freude ins Leben zu bringen. Es ist und bleibt ein ernstes Thema.
Ich möchte hiermit noch einmal betonen: Hol dir Hilfe. Informiere dich. Werde für dich selbst zum Experten. Für dich, deine Familie und deine Gesundheit.